Ein kleiner Vorgeschmack auf mein Buch!
Im Anhang meines Buches "Ich wollt' ich wär' ein Christ..." habe ich diesen Text veröffentlicht. Er entstand 2015 aus einer Reflexion meines Lebenslaufs als ich in der Situation war, mein Leben neu zu organisieren. Es ist eine sehr persönliche Betrachtung die, wie alle meine Texte, nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Absolutheit erhebt. Ich lade damit zum Lesen, Reflektieren, sich inspirieren Lassen und Diskutieren ein.
Jesus macht langen Prozess mit mir!
08.2015
Mein Leben als Prozess:
Planungsphase:
Der Heilige Geist kratzt an meiner Tür, umwirbt mich, stupst mich immer wieder an und sendet mit immer wieder Likes in mein Leben. Ich diskutiere, wäge ab, analysiere und suche den größtmöglichen Nutzen.
Die Kick-Off-Veranstaltung:
Ich bekehre mich, wende mich Jesus zu und beginne mit der Nachfolge, ohne zu ahnen, was da wirklich auf mich zu kommt. Wie groß wird mein Aufwand sein? Wie viele Ressourcen werden gebunden? Welche Mittel werden im Laufe der Zeit bereit gestellt werden müssen? Und: ach ja, wer ist denn hier eigentlich der Prozessmanager? Das kann doch eigentlich nur ich sein . . . . . . . . . . . . . oder?
Die Einführungsphase:
Alle bisherigen Abläufe werden hinterfragt, durchleuchtet analysiert. Oh mein Gott, was für ein Chaos!! Alle Abläufe??? Es war doch schon so viel Schönes dabei! Es wird unangenehm? Als Manager steure ich die Analyse so, dass die unangenehmsten Schwachstellen möglichst lange außen vor bleiben. Ich bin darin sehr geschickt und es gelingt mir lange Zeit.
Die Entwicklungsphase:
Nachdem die gröbsten Schnitzer erkannt und benannt wurden geht es an die Optimierung. Stück für Stück wird aufgearbeitet, auf Potential durchleuchtet, neu sortiert und entweder dem Prozess neu zugeordnet oder komplett entfernt. Die Pozessoptimierung beginnt zu greifen. Mein Leben läuft immer ein kleines Stückchen besser. Der Manager arbeitet gut! Und das Team? Ach, wenn ich das nur richtig anpacke kann ich das auch alleine und außerdem ist ja sowieso keiner da, der mehr Ahnung davon hat als ich! Oder? Ja, da ist dieser Neuling, der sich immer wieder zu Wort melden will, der längst abgeschlossene Fragmente immer und immer wieder auf die Agenda setzt und ständig meint, dass da noch großes Potential drin steckt. Ach, was weiß der schon. Außerdem müssen wir voran kommen, Ziele erreichen, Zeitvorgaben einhalten und ja auch mal irgendwann das Projekt erfolgreich abschließen. Also: Augen zu und durch.
Die Umsetzungsphase:
Die Entwicklung ist abgeschlossen, die einzelnen Punkte, bis auf die, die irgendwie nicht gepasst haben, nicht ausreichend analysiert wurden oder schlicht nicht angepackt wurden, werden ins Leben eingebaut. Das dauert viel zu lange. Ständig tauchen Probleme auf, es läuft nicht rund, auch wenn einige Bausteine sehr schöne Verbesserung bringen. Es dauert zu lange, der Prozess wird nicht flüssig, es hakt an allen Ecken und Enden und oft werden gut funktionierende Bausteine durch andere, die nach wie vor fehlerhaft sind, oder in der Entwicklung von dem tollen Manager nicht verbessert sondern verschlechtert wurden, gestört, beschädigt blockiert. Die Zeit rennt davon. Aus Tagen werden Wochen, Monate, Jahre Jahrzehnte……. Und dieser Neuling, der längst schon nicht mehr so neu ist, hebt immer mal wieder bescheiden aber beständig die Hand, um auf Fehler und noch immer nicht behandelte Details hinzuweisen. Manchmal ist der echt lästig, obwohl mich der Verdacht beschleicht, dass er vielleicht doch etwas von der Materie versteht. Aber was soll‘s, ich bin der Boss, ich weiß wo’s lang geht und er darf sicher gerne hier und da seinen Senf dazu geben, solange er sich nicht zu doll einmischt.
Die Reflexionsphase:
Es wird Zeit, eine vorher-nachher-Analyse zu machen: Enttäuschend! So das einstimmige Urteil des Teams. Ein Fehlschlag! Manches läuft wirklich besser als zuvor, etliches hat sich überhaupt nicht verändert und vieles ist nach wie vor eine Katastrophe. Insgesamt wird es eher schlechter als besser. Immer schlechter. Und wieder diese Wortmeldungen. Beständig. Bescheiden. Bedächtig. Unaufhörlich. Unaufdringlich. Wohlmeinend. Leise.
Die Korrekturphase:
Nach langem Zögern gebe ich als Prozessmanager das Wort frei und plötzlich wird klar, dass der ehemalige Neuling, der irgendwie die ganze Zeit mitgearbeitet und sich eingebracht hat, von der Sache mehr versteht als ich gedacht habe. Mehr als wir alle gedacht haben. Mehr als ich. Mehr als wir alle. Ausgerechnet die ganz groben Ausreißer, die schön beiseite bleiben sollten stellt er auf die Agenda. Vieles, was längst schon optimiert gewesen war und im Laufe der Zeit verschlissen wurde, holt er aus der Versenkung. Alle Gegenargumente versagen:
„Keine Zeit!“ „Ich bin die Zeit!“
„Keine Kraft!“ „Ich bin die Kraft!“
Mir gehen die Argumente aus. Meine Kraft ist wirklich am Ende. Ich kann nicht mehr. Ich gebe den Vorsitz auf!
Wer bist du denn eigentlich? "Man nennt mich Gott, oder Jesus, oder Heiliger Geist. Ich habe den Prozess erfunden, ich kenne jedes Detail. Ich kenne das, was gelungen ist und das, was danebengegangen ist. Ich kenne sogar das, was gelingen wird und was danebengehen wird. Erfolg – Versagen, Höhen – Tiefen, Sonne – Dunkelheit! Ich kenne es und ich kann – und wenn du mich lässt – werde es zu einem guten Abschluss bringen."
Aber das dauert doch zu lange! Nicht für mich! Ich bin bereit, mit dir einen langen Prozess zu gestalten, zu optimieren und letztlich zum Erfolg zu bringen. Zu meinem Erfolg in deinem Prozess.
Ein langer Prozess!!! „Ich bin die Zeit!“
Oder auch mal ein ganz neuer Text:
Déjà-vu
Worte. Viele Worte. Böse Worte.
Gute Worte. Schnelle Worte.
Worte füllen den Tag: Telefonate, Gespräche, Diskussionen, Gebete, Gedanken.
Alles in Worten.
Worte sind oft laut. Zu laut. Das Unbewusste, das was klein und schüchtern in mir auf die Chance lauert, sich Gehör zu verschaffen, sucht die Lücke zwischen den Worten und findet sie nicht.
Worte von draußen hämmern auf mich ein, Worte von innen schlagen zurück. Aber da ist kein Raum, keine Stille, in der mein Ich sich äußern kann.
Doch wenn ich es schaffe von außen und innen still zu werden schleicht sich mein Unbewusstes durch den Stift auf das Papier: Als Worte!
Aber die sind anders: Sanft, leise.
Ich liebe es, sie wieder zu sehen: Ein Déjà-vu meines Selbst.
01.03.2019